1.000€ für falsche Verdächtigung sexueller Belästigung!

Es gibt Verfahren, in denen beiläufig eine massive Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz offenbar wird; in diesem Fall ging es um eine typische Kündigungsschutzklage gegen eine fristlose Kündigung eines in der Herstellung von Zigaretten in Brandenburg ansässigen Unternehmens über zwei Instanzen (2 Ca 257/1 7). Meine Mandantin widersprach den Vorwürfen vor dem Arbeits - und dem Landessarbeitsgericht. Als Begründung schilderte sie Diskriminierungen durch den für das Personal verantwortlichen Werksleiter und stellte dessen Glaubwürdigkeit in Frage.

Wenig später erhielt sie sie über das Landgericht Potsdam eine Klage zugestellt. Darin forderte der Werksleiter sie auf, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß gegenüber Dritten zu behaupten: “Traurige Realität im Unternehmen der Grand River Enterprises (Deutschland) GmbH ist es, dass durch den Kläger (Werksleiter) in der Vergangenheit unseriöse Schritte unternommen wurden um Mitarbeiter ohne Vorliegen eines Grundes aus dem Unternehmen zu drängen. Es war der Kläger persönlich, der im Jahr 2016 mit den Worten “Willst du dir 1.000,00 €“ verdienen? mit dem Ansinnen an die Beklagte gewandt hatte, sie solle als Gegenleistung die unwahre Behauptung aufstellen,“ ein Kollege hätte sie sexuell belästigt. Als die Beklagte ein solches Ansinnen entschieden ablehnte, meinte der Kläger dann im Beisein des Produktionsleiters, Herrn (X)., dann machen sie sich mal einen Kopf, wie sie ihn loswerden, ist schließlich ihr Mitarbeiter.“ Es sollte offenbar maximaler Druck aufgebaut werden. Als unterhaltspflichtige Mutter hatte sie nicht nur ihren Arbeitsplatz verloren; das in der Klage angedrohte Ordnungsgeld betrug immerhin 250.000,00 Euro ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung. Zugleich erhielt sie Kenntnis von einer Strafanzeige u.a. wegen Computerbetruges und Verleumdung (4102 Js 26437/1 7).

Das Landgericht Potsdam hat die Klage des Werksleiters nach streitiger Verhandlung am 31.05.2018 abgewiesen. Nach Auffassung der Vorsitzenden Richterin fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis, da die Äußerungen zur Vorbereitung oder während eines gerichtlichen Verfahrens vorgetragen wurden. Gegen dieses Urteil legte der Werkslsleiter Revision an das Brandenburgische Oberlandesgericht ein - und unterlag erneut. Die Richter des 1. Zivilsenats machen in den Entscheidungsgründen vom 04.01.2018 deutlich, dass es den Beteiligten eines Verfahrens grundsätzlich möglich sein müsse, ihre Bekundungen frei von der Befürchtung mit Widerrufs-, Unterlassungs- oder Schadens ersatzklage überzogen zu werden, vorzutragen. Die benannten Urteile des Landgerichts Potsdam (2 0 205/17) und des Brandenburgisches Oberlandesgerichts (1U 16/18) können Sie auf meiner Homepage in Volltexten eingesehen. Allerdings bestand der auf meiner Mandantin lastende Druck fort - denn zwischenzeitlich hatte die Staatsanwaltschaft Potsdam unter anderem wegen Verleumdung Anklage erhoben. Das Strafgesetzbuch sieht allein bei diesem Vorwurf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften begangen ist, sogar Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

Auf Befragen der Vorsitzenden Richterin Pelzer des Amtsgerichts Brandenburg am 14.09.2020 schilderte meine Mandantin nochmals den Tag, an dem sie in das Büro des Werkleiters kommen sollte. Am runden Tisch hätten noch zwei weitere Mitarbeiter gesessen, ein Platz sei für sie noch frei gelassen worden. Der Werkleiter sei dann ohne Umschweife zur Sache gekommen und habe ihr das verwerfliche Angebot unterbreitet. Der ehemalige Vorgesetzte erschien zur Verhandlung mit einem Rechtsanwalt als Zeugenbeistand. Er räumte zwar ein, “aus vielleicht zu stark geführter Empathie Vorschüsse auf ihr Gehalt gewährt zu haben“; im Ergebnis blieb er dann aber beim Bestreiten der in Rede stehende Äußerungen. Nach Vernehmung eines weiteren Zeugen erbat die Vorsitzende Richterin die Plädoyes der Staatsanwältin und meine Sicht als Verteidiger. Meine Mandantin wurde dann von dem Vorwurf des Computerbetruges (21 Ds 25/19) frei gesprochen; das Verfahren wegen des Verdachts der Verleumdung wurde abgetrennt und ohne Schuldspruch eingestellt.

Das streitgegenständliche Angebot des Werksleiters stellt aus meiner Sicht eine massive Diskriminierung dar; es deutet nicht nur auf eine sexualisierten Sichtweise auf die Zusammenarbeit von Mitarbeitern/innen in dem Unternehmen hin. Es offenbart sich ebenso ein Weltbild, im dem Frauen sich für eine falsche Verdächtigung des Kollegen wegen einer sexuellen Belästigung kaufen lassen; wer nicht darauf eingeht, riskiert den Verlust des Arbeitsplatzes. Damit wurde die Frau in mehrfacher Hinsicht zum Objekt gemacht. Beim Verlassen des Saals des Amtsgerichts fiel der jahrelange Druck auf meine Mandantin ab; es war ihr das Wichtigste: “Endlich wurde mir geglaubt !“

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