Ab wann haften Kinder im Straßenverkehr?
Durch das "Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz" wurde die Verantwortlichkeit von Kindern im motorisierten Straßenverkehr neu geregelt. Minderjährige, die das siebte, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet haben sind für Schäden, die sie bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug fahrlässig verursachen, nicht verantwortlich. Anderes gilt nur dann, wenn Kinder "vorsätzlich" handeln. Werfen Kinder Steine von einer Autobahnbrücke auf fahrende Autos, so haften sie auch unter zehn Jahren, wenn ein normal entwickelter Jugendlicher ihres Alters die Gefährlichkeit seines Handelns hätte erkennen können. Läuft einem Autofahrer hingegen ein Kind unter 10 Jahren aus Unachtsamkeit ins Auto, bleibt er, auch wenn der Unfall für ihn unvermeidbar war, auf seinem Schaden sitzen, sofern er nicht selbst vollkasko- bzw. unfallversichert ist. Die Haftpflichtversicherung der Eltern kann sich, genauso wie das Kind, auf die Haftungsfreistellung berufen. Andererseits muss der Autofahrer bzw. seine Kfz-Haftpflichtversicherung für den Schaden des unter zehnjährigen Kindes aufkommen. Der Mitverschuldenseinwand bleibt dem Autofahrer verwährt, da dieser Deliktsfähigkeit voraussetzen würde. Seine Haftung entfällt daher nur, wenn der Unfall ausnahmsweise auf "höhere Gewalt" zurückgeführt werden kann, was nahezu nie der Fall ist.
Die Privilegierung von Kindern unter 10 Jahren gilt jedoch nur für Unfälle mit fahrenden Kraftfahrzeugen. Wird hingegen ein parkendes Fahrzeug beschädigt, kommt eine Haftung des Kindes in Betracht, wenn es sein Fehlverhalten erkennen und sich entsprechend verhalten konnte. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) erst kürzlich entschieden. In dem Fall war ein 9-jähriges Kind bei einem Wettrennen mit seinem Kickboard gegen einen ordnungsgemäß am rechten Straßenrand geparkten PKW geprallt. Obwohl es sich auch hier um einen Unfall im Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug handelte, kommt nach Auffassung des BGH das Haftungsprivileg nicht zum Zuge, weil sich das zugrunde liegende gesetzgeberische Motiv nicht ausgewirkt habe. Hintergrund der Besserstellung sei, dass sich Kinder unter 10 Jahre, die erfahrungsgemäß Entfernungen und Geschwindigkeiten nicht richtig einschätzen können, durch die Schnelligkeit, die Komplexität und die Unübersichtlichkeit der Abläufe im motorisierten Verkehr in einer besonderen Überforderungssituation befinden. Eine solche Überforderungssituation sei bei Unfällen mit parkenden Fahrzeugen jedoch nicht gegeben, da sich die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs nicht ausgewirkt haben (BGH, Urteile vom 30.11.2004, VI ZR 335/03 und VI ZR 365/03).
Tipp:
Vor dem Hintergrund der Neuregelungen im Zweiten Schadensrechtsände-rungsgesetz sollten sich Autofahrer zur Vermeidung von Rechtsnachteilen noch vorsichtiger im Verkehr bewegen, wenn mit dem Auftauchen von Kindern gerechnet werden muss, wie z.B. in der Nähe von Schulen oder Kindergärten.