Anschlag mit Buttersäure erwies sich als Lügenkomplott
Nirgens wird so erbittert gestritten wie vor Gericht. Da ist die Verlockung groß, dem Richter eine Lügengeschichte zu präsentieren. Tun sich mehrere Personen zusammen, bei der nur einer der Auskunftspersonen das Geschehen selbst erlebt hat, spricht man von einem Lügenkomplott. Für die Aufdeckung eines solchen Komplotts ist eine Verhandlung vor dem Amtsgerichts Brandenburg (24 Ds 79/12) exemplarisch.
Durch Anklageschrift wurde meinem Mandanten vorgeworfen, er hätte in den Abendstunden am 21.03.2012 an der Rückseite des Hauses am Mühlenberg 43 in Briest einem Anschlag mit Buttersäure auf die Terasse der Nachbarin verübt.
Die Mieterin hatte behauptet, plötzlich einen starken Geruch wahrgenommen zu haben. Angeblich hätte sie "unter starken Kopfschmerzen gelitten und in der Nacht bereits mit erheblichen Schlafstörungen zu kämpfen gehabt." Anzeigenerstatter sind die Mieterin und der Hauseigentümer. Allerdings konnten weder die herbeigerufenen Mitarbeiter der Kriminaltechnik noch Messungen durch die freiwillige Feuerwehr eine Chemicalie vor Ort feststellen. Zwei Monate später wandte sich der Zeuge Komstke mit der Behauptung an die Staatsanwaltschaft, "er könne die Buttersäure zur Verfügung stellen".
Das Glas hätte er am Abend des 21.03.2012 im Wald "verbuddelt", hierzu sei er von der Ehefrau meines Mandanten angestiftet worden, um das Behältnis vor der Kripo zu verstecken.
Zur Beweisaufnahme waren die beiden Anzeigenerstatter sowie der Zeuge Komstke nebst der Ehefrau meines Mandanten geladen. Auf Befragen mußte der Belastungszeuge einräumen, dass er das Glas mit der Buttersäure im Wald "nicht mehr habe finden können." Auf meinen Vorhalt wurde ein Brief des Zeugen an meinem Mandanten vom 09.06.2012 zum Gegenstand der Beweisaufnahme.
Darin teilte er wörtlich mit: "Sie bekommen alles zurück, wenn ich meine Sachen u.s.w. erhalten habe. Natürlich bekommen sie auch die Buttersäure von mir zurück. Darauf haben sie mein Wort". In der weiteren Beweisaufnahme stellte sich heraus, dass der Hauseigentümer, der Zeuge Komtske und die Nachbarin Henneberg aus früheren rechtlichen Auseinandersetzungen ein gemeinsames Motiv für eine Falschaussage zum Nachteil meines Mandanten haben.
Das Amtsgericht Brandenburg sprach meinen Mandanten in der Hauptverhandlung am 21.12.2012 aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der Körperverletzung und Sachbeschädigung frei. Die Kosten des Einsatzes der Feuerwehr, die Verfahrenskosten und die Kosten seiner Verteidigung tragen die Landeskasse.
Tipp:
Für die Aufdeckung eines Komplotts ist die getrennte Vernehmung der Zeugen wichtig. Ein Vergleich der Aussagen der Teilnehmer zeigt häufig, dass nur eine Absprache für das sogenannte Kerngeschehen getroffen wurde. Je mehr Fragen an die einzelnen Zeugen zum sogenannten Randgeschehen gestellt werden - also was vorher und nachher war - desto vager werden die Aussagen.
Da die Zeugen hierzu keine Befragung erwarten, wird es an dieser Stelle zu Widersprüchen kommen oder sie werden behaupten, sich nicht mehr erinnern zu können (alle ausgerechnet an denselben Punkten). Dann laufen sie aber in Gefahr, dass man ihnen auch das Kerngeschehen nicht abnimmt, wenn sie nur dazu Erinnerungen haben wollen.