"Den Richter Weide, der mich verhaften ließ, vergesse ich nie"

Gegen den Vorsitzenden Richter der ersten Kammer am Arbeitsgericht Potsdam sind in den letzten Tagen Befangenheitsanträge eingegangen. Als Haftrichter des Kreisgerichts Potsdam hatte Richter Weide, 1984 eine ganze Reihe von Haftentscheidungen getroffen, die nach der Wende in Rehabliltierungsverfahren als rechtswidrig eingestuft wurden. 

Zu seinen Opfern gehört auch eine ausreisewillige Familie. Durch Unterschrift unter den Haftbefehl kamen Frau Sybille Schönemann und ihr Mann in das berüchtigte Stasi-Untersuchungsgefängnis in der Lindenstraße 54 in Potsdam - nur weil sie 1984 einen Ausreiseantrag gestellt hatten. Frau Schönemann erklärte in einem Beitrag, der kürzlich in der Sendung Klartext übertragen wurde, unter anderem: „Ich konnte mich ja nicht mal von meinen Kindern verabschieden. Mein Mann auch nicht. Wir sind beide sozusagen völlig unerwartet inhaftiert worden. Also weggefangen worden von der Stasi. (...) Den Kindern hat man gesagt: 'Eure Eltern kommen nachmittags wieder zurück.' Was nicht passierte. 

Fast ein Jahr später haben sie uns im Westen erst wiedergesehen. (...) Also es war unglaublich. Er hat mit einer Selbstgefälligkeit in diesem Sessel gelümmelt und hat die Situation ausgekostet. War ein Machtmensch, hatte ich den Eindruck (...) "Er hatte 'ne halbe Stunde vorher den Haftbefehl für meinen Mann unterschrieben. Wissend, dass er nichts gemacht hat. Wissend, dass wir zwei Kinder zuhause haben. Wissend, was mit uns weiter passieren würde, unterschrieb er diesen Text, (...) und klingelte. Dann kam ein Offizier und der nahm mich mit und das war's." 

Unter Richtern war und ist seine fachliche Eignung umstritten. Rechtsanwälte, die ihm missfallen, haben sich daran gewöhnt, sich mit allen zivilprozessualen Mitteln gegen Entscheidungen zu wehren, die einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand halten. 

Sein unnachgiebiges Einfordern, sich bei Eintritt in den Verhandlungssaal zu erheben, belegt sein Bedürfnis, Macht auszuspielen. Der Richter war im vergangenen Jahr an das Arbeitsgericht Brandenburg abgeordnet. 

Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu 

rechtfertigen. Nach Auffassung von Professor Schröder der Juristischen Fakultät der Humold-Universität waren Richter rechtlich nicht verpflichtet, derartige Haftbefehle zu unterschreiben. 

Nach dem Strafgesetzbuch der DDR hätte dieser nicht erlassen werden dürfen, weil es sich um eine absolute Bagatelle gehandelt hat. Auch wenn der Richter Weide von den Kollegen des Landgerichts Potsdam von dem Vorwurf der Rechtsbeugung 1998 freigesprochen wurde, entlastet ihn das nach Ansicht der damaligen Ermittler nicht von dem Vorwurf, in vielen Fällen rechtswidrig die Menschenrechte der betroffenen Ausreisewilligen missachtet zu haben. 

In laufenden Verfahren vor dem Arbeitsgericht hat sich bei den Prozessparteien die Befürchtung eingestellt, der Richter stehe ihrem Rechtsanliegen nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Es bleibt abzuwarten, ob er von seinem zivilprozessualen Recht im Sinne einer Selbst-ablehnung Gebrauch machen wird. 

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