Die Bedeutung des Rücktritts vom Versuch des heimtückischen Mordes
Wegen Versuchs wird gemäß § 24 des Strafgesetzbuches nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Es handelt sich hierbei um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund, der in der Praxis der Strafverteidigung eine bedeutende Rolle spielt.
Mit Anklageschrift vom 08. September 2009 warf die Staatsanwaltschaft Potsdam einem 78-jährigen Rentner vor, in der Zeit von April 2008 bis zum 30.04.2009 in Tötungsabsicht versucht zu haben, seiner Frau geringe Mengen das Rattengift Ratron zu verabreichen. Durch die Art und Weise der Vorgehensweise war das Mordmerkmal der Heimtücke angeklagt. Äußerlich hatte das Gift bei der Ehefrau glücklicher Weise noch keine Wirkung gezeigt. Sie wurde nach wenigen Tagen aus dem Städtischen Klinikum entlassen.
Das Landgericht Potsdam hatte durch die erste große Strafkammer als Schwurgericht durch drei Berufsrichter und zwei Schöffen (21 Ks 5/09) durch eine Beweisaufnahme aufzuklären, ob ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch des heimtückischen Mordes vorlag. Wegen der geringen Dosierungen, die zum Glück nicht ausgereicht hatten, ihre tödliche Wirkung zu entfalten, lag nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zunächst kein so genannter fehlgeschlagener Versuch vor. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft, hätte der "Taterfolg" wegen des noch bestehenden Vorrates an Gift noch erreicht werden können.
Der Versuch des Mordes blieb auch unbeendet, da schon nach den äußeren Umständen von der Vorstellung des Angeklagten ausgegangen wurde, dass zur Erreichung der tödliche Wirkung des Giftes aus seiner Sicht mehr als die bisherigen Beimischungen notwendig waren.
Zu Gunsten des Angeklagten gingen die Richter im Ergebnis der Beweisaufnahme auch von einem freiwilligen Rücktritt vom Versuch aus. Der Rentner hatte sich Ende April entschlossen, einen Rechtsanwalt aufzusuchen, um sich von seiner Ehefrau scheiden zu lassen.
Einen Beratungstermin hatte er für den 20.04.2009 vereinbart. Seine Verhaftung
erfolgte am 30.04.2009. Die Intention für ein Scheidungsverfahren sprach für eine freiwillige Aufgabe des Tatentschlusses, seine Ehefrau zu vergiften.
Am Dienstag dieser Woche verhängte die erste große Strafkammer durch Urteil eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung; die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Haftbefehl wurde mit sofortiger Wirkung aufgehoben, der Mandant konnte den Gerichtssaal ohne Handschellen verlassen.
Nach den Worten des Vorsitzenden Richters Dr. Tiemann will der Gesetzgeber dem Täter, der sich entschließt, die weitere tödliche Tatausführung aufzugeben, "eine goldene Brücke" bauen. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Potsdam nahm das Urteil ebenso wie der Verteidiger an.
Tipp:
Bei Konstellationen, bei denen an einen Rücktritt zu denken sein könnte, sollte frühzeitig fachanwalticher Rat eingeholt werden. Im Herbst vergangenen Jahres verhängte das Landgericht Potsdam unter Vorsitz desselben Richters gegenüber einem anderen Angeklagten unter anderem wegen Mordversuchs durch Rattengift eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren.