Die Bedeutung des Untersuchungsgrundsatzes im Strafverfahren

Das Herzstück der Hauptverhandlung in nahezu jedem Strafverfahren ist die Beweisaufnahme. 

Das Strafverfahren ist jedoch kein Parteienprozess wie das zivilrechtliche Verfahren. Der Staatsanwalt als Vertreter der Anklage auf der einen Seite und sein Verteidiger auf der anderen Seite stehen sich nicht so gegenüber, dass sie die Aufgabe hätten, als Parteien dem Gericht die Tatsachen und Beweismittel zu unterbreiten. Vielmehr versucht das Gericht im Strafverfahren herauszufinden, ob der Tatvorwurf aus der Anklage zutrifft. Das Strafverfahren ist somit auf die Wahrheitsforschung von Amts wegen angelegt. Im Ergebnis bringt also der Staat seine Machtmittel gegen den Einzelnen zum Einsatz, um dem Angeklagten seine individuelle Schuld nachzuweisen. 

Das Gericht forscht nach der Wahrheit, indem es Beweis erhebt. Als Beweismittel kommen in Betracht Zeugen, Sachverständige, Urkunden und Inaugenscheinnahme. Das Gericht kann also Zeugen vernehmen, Urkunden verlesen, das Gutachten eines Sachverständigen einholen und Orte und Gegenstände sich anschauen. Zur Inaugenscheinnahme gehören übrigens auch andere sinnliche Wahrnehmungen als das Sehen, wie z.B. das Hören (BGHSt, 51, 53). 

Wenn sich die Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung ein Tonband anhören, ist das also eine Inaugenscheinnahme. Die Aufklärungspflicht beinhaltet die Erhebung des bestmöglichen Beweises. Sofern es um den Beweis von Wahrnehmungen geht, ist daher grundsätzlich der unmittelbare Zeuge zu vernehmen. 

Tatsachen, die für den Angeklagten günstig sind, müssen regelmäßig auch vom Angeklagten vorgetragen werden. Ohne Anhaltspunkte wird das Gericht nicht versuchen, Entlastendes für den Angeklagten zu finden. Wichtig ist es zu wissen, dass das Gericht nur verpflichtet ist, die Beweisaufnahme auf vom Angeklagten angebotene Beweismittel zu erstrecken, wenn dieser einen Beweisantrag stellt. Die Bedeutung dieses Grundsatzes soll ein Beispielsfall zeigen: 

Ein Angeklagter, der wegen Körperverletzung in Brandenburg vor Gericht steht, hat seine Freundin als Zeugin zur Verhandlung mitgebracht. Sie soll aussagen, dass er am Tattag bei ihr in Hannover war. Einen diesbezüglichen Beweisantrag stellt er nicht. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Freundin als Zeugin zu hören. 

Statistisch betrachtet kommt es bei 30 % der Verfahren nicht zu einer Verurteilung des Angeklagten. Allerdings beträgt die Freispruchsquote bei durchgeführter Hauptverhandlung für den Angeklagten nur zirka 3 %. Die Bedeutung von Beweisanträgen sollte deshalb nicht unterschätzt werden. Sie sind bei der Beweisaufnahme der Gerichtsverhandlung das wirksamste Mittel der Verteidigung. 

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