"Falls sie nicht unterschreiben, kann ich warten."

"Falls sie nicht unterschreiben, kann ich warten - denn ich habe meine Wechselsachen im Auto."

Diese und andere Äußerungen fielen anläßlich eines Personalgesprächs meines Mandanten am 24.08.2012. Der Bezirksleiter L. des in Bahnhofsnähe in Brandenburg ansässigen SB-Warenhauses (Slogan: "Einmal hin, alles drin!" oder "Besorg’s dir doch einfach!") ließ den seit fast 10 Jahren beschäftigten Arbeitnehmer vor Dienstschluss antreten. 

Gleich zu Beginn überhäufte er ihn im Beisein der Geschäftsleiterin K. mit diversen Drohungen: "Ich hab die Schnauze voll und schmeiß Sie jetzt raus !, Sobald ich mit Ihnen fertig bin, können Sie nach Hause gehen und brauchen nie wieder kommen! Mir ist es egal, was Sie in Zukunft machen, ob Sie Klo putzen gehen oder einen Kiosk aufmachen !

Auf dem Tisch lag bereits ein vorgefertigter Aufhebungsvertrag. Als mein völlig verunsicherter Mandant versuchte, die erste Seite des Textes zu lesen, kam die weitere Drohung: "Soll ich Ihnen den Text vorlesen - oder können sie nicht lesen ? Falls Sie nicht unterschreiben, kann ich warten, denn ich habe meine Wechselsachen im Auto. Wenn es sein muß, finde ich noch einen Schlafsack im Regal." Als Betriebsratsmitglied war mein Mandant es gewohnt, sich für andere Mitarbeiter einzusetzen. Dem plötzlichen massiven Druck hielt er nicht länger Stand. Er sah keinen anderen Ausweg, als gegen seinen Willen den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Durch mein anwaltliches Schreiben vom 28.08.2012 erfolgte die Anfechtung des Aufhebungsvertrages insbesondere wegen widerrechtlicher Drohung. Die Drohung des Vorgesetzten mit der Zufügung eines zukünftigen empfindlichen Übels ist widerrechtlich mit der Folge der Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages. 

Auf meine Klage führte die zweite Kammer des Arbeitsgerichts Brandenburg am vergangenen Donnerstag eine Beweisaufnahme durch. Geladen war neben dem Bezirksleiter auch die von mir benannte Geschäftsleiterin. 

Auf Fragen der Vorsitzenden Richterin erklärte die Geschäftsleiterin überraschend, dass sie sich an konkrete Äußerungen des Bezirksleiters "nicht mehr erinnern könne". Er habe auch "nicht sehr laut gesprochen". Sie sei mit ihren Gedanken auch nicht immer bei dem Gespräch gewesen. Diese Aussage verwunderte um so mehr, als der Betrieb eingeräumt hat, dem Mandanten gegenüber seien "in aller Konsequenz Feststellungen gemacht worden, die sicherlich erkennen ließen, dass der Bezirksleiter als Lösung die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses wollte". Mein Antrag, den Bezirksleiter L. als Zeugen zu vernehmen, um die fehlende Glaubhaftigkeit der Geschäftsleiterin K. zu untermauern, wurde abgelehnt. Es folgte die Abweisung der Klage durch Verkündung eines Urteils (2 Ca 958/12) vom 15.08.2013.

Tipp:
Dieses Urteil wird erst rechtskräftig, wenn nicht innerhalb von einem Monat ab Zugang der schrifltichen Urteilsgründe Berufung eingelegt wird. 

Bis dahin wird sich herausstellen, ob auf meine Strafanzeige wegen des Verdachts der versuchten Freiheitsberaubung und der versuchten Nötigung die Staatsanwaltschaft Potsdam (4101 Js 13382/13) einen hinreichenden Tatverdacht bejahen wird. Zugleich wird die Strafbarkeit geprüft, ob durch das Verhalten des Bezirksleiter die Tätigkeit des Betriebsrats behindert oder gem. § 119 des Betriebsverfassungsgesetzes BetrVG gestört wurde. 

Es ist es eine alte Weisheit, dass es vor Gericht nicht um die Wahrheit geht, sondern um die prozessuale Wirklichkeit. Nur was sich beweisen läßt, ist von Belang - eine oft schmerzliche Einsicht für alle Beteiligten.

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