Ist der Sozialplan der BRAWAG-GmbH ein Betriebsunfall?

Die Belegschaft des städtischen Wasser- und Abwasserunternehmens Brawag hat Glück; denn mit Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 06.08.2003 wurde bestätigt, dass ostdeutsche Beschäftigte in der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung beim Rationalisierungsschutz nicht schlechter gestellt sind als ihre Kollegen im Westen. 

Die von dem Sozialplan betroffenen Arbeitnehmer in Brandenburg haben somit wesentlich bessere Rechte bei Kündigungen und einen deutlich höheren Abfindungsanspruch. 

Mit Schreiben vom 20.05.2003 teilte die Geschäftsführung der BRAWAG ihren Mitarbeitern mit, dass auf Grund des Jahresabschlusses für das Jahr 2002 aus den Ergebnissen der mittelfristigen Unternehmensplanung sich Erkenntnisse ergeben haben, auf die die Geschäftsführung reagieren müsse. Im Rahmen eines Interessenausgleiches wurde vereinbart, dass die Geschäftsführung mit verschiedenen Dienstleistungsfirmen Verhandlungen führt, mit dem Ziel den betreffenden Personenkreis unbefristete Arbeitsverhältnisse außerhalb der Beklagten entsprechend der vorhandenen Qualifikationen anzubieten und zu vermitteln. Ende September 2003 nach Verkündung des genannten Urteils des Bundesarbeitsgerichts kam es zu einer Vereinbarung eines Sozialplanes, der Abfindungsansprüche und Zumutbarkeitsregeln für die Annahme einer neuen Tätigkeit für die von den Umstrukturierungsmaßnahmen betroffenen Mitarbeiter vorsieht. 

Die Geschäftsführung verschwieg jedoch den Überleitungstarifvertrag vom 04.12.1991, wonach die ostdeutschen Unternehmen der Branche unter die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes fallen. Bereits seit 1987 galt im Westen der eingeführten Tarifvertrag zum Rationalisierungsschutz. 

Auffällig war bereits der starke zeitliche Druck, mit dem die durch die fachanwaltlich beratene Geschäftsführung die Arbeitnehmer zwang, in Aufhebungsvereinbarungen aufnehmen lassen, " das mit der Erfüllung dieser Vereinbarung sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund und ob bekannt oder unbekannt, erledigt sind". Jedem Arbeitnehmer der sich weigerte, diese rechtswidrige Klausel zu unterschreiben, wurde damit gedroht, dass er überhaupt keine Abfindung erhalte. 

Aus arbeitsrechtlicher Sicht liegt darin ein krasser Verstoß gegen § 4 Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes. Danach sind von einem Tarifvertrag abweichende Abmachungen in einem Sozialplan nur dann zulässig, wenn sie durch den 

Tarifvertrag ausdrücklich gestattet sind oder ausschließlich Änderungen zu Gunsten des Arbeitnehmers enthalten. Die betroffenen Arbeitnehmer können also nach wie vor ihre Rechte durchsetzen, auch wenn sie die Ausgleichsklausel unterschrieben haben. 

Fest steht, dass zum Beispiel bei der Höhe der Abfindung und den Kriterien der Zumutbarkeit bei einem Wechsel des Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz bei Drittunternehmen zu Ungunsten von dem Tarifvertrag abgewichen wurde. 

Zwar gilt der genannte Tarifvertrag nicht für Fälle des Betriebsüberganges. Bei der Übertragung von Bereichen an private Dienstleistungsbetriebe gehe ich allerdings nicht von einem rechts-geschäftlichen Teilbetriebsübergang aus. 

Nach § 3 des Tarifvertrages findet zum Beispiel eine umfassende Arbeitsplatzsicherung statt. Danach ist der Arbeitgeber zum Beispiel verpflichtet, dem Arbeiter einen mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz zu sichern. Steht ein gleichwertiger Arbeitsplatz nicht zur Verfügung, soll der Arbeitgeber entsprechend fortgebildet oder umgeschult werden, wenn ihm dadurch ein gleichwertiger Arbeitsplatz bei demselben Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden kann. 

Bei Arbeitern, die beim Wechsel der Beschäftigung eine Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren zurückgelegt und das 40. Lebensjahr vollendet haben, dürfen Kündigungen mit dem Ziel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen nur dann ausgesprochen werden, wenn der Arbeiter einen gleichwertigen Arbeitsplatz bei demselben Arbeitgeber nicht annimmt. Nach der Abfindungsstaffelung stehen einem Arbeitnehmer zum Beispiel bei einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren bis zum vollendeten 40 Lebensjahr 6 Monatsbezüge, nach vollendenten 40., 45., 50., 55. Lebensjahr jeweils 7, 8, 10 oder 12. Monatsbezüge als Abfindung zu. 

Tipp: 
Die Abfindungsansprüche drohen zum 31.März zu verfallen. Nach dem Bundesmanteltarifvertrag (BMT-G-O)gilt eine Ausschlussfrist für die Durchsetzung von Ansprüchen. Danach können Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis nur binnen einer Frist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Es sollte daher kein Risiko eingegangen werden. 

Sollte die Kenntnis des Tarifvertrages zum Rationalisierungsschutz vorsätzlich von der Geschäftsführung zurückgehalten worden sein, läge darin ebenfalls ein grober Verstoß gegen die Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat nach § 2 des Betriebsverfassungsgesetzes. 

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