Ist eine Kassiererin „letztes Bollwerk" für die Kontrolle von Ware?

Die Belastungen der Mitarbeiter im Einzelhandel sind gerade zu Weihnachten für jeden offensichtlich. Trotzdem benennt das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in dem Urteil vom 02.04.2013 Kassierer als Bollwerk und setzt seine harte Rechtsprechung fort. 

Meine Mandantin erhielt die Kündigung, weil sie angeblich Leerkartons verkauft haben soll. Streitig war, ob die Verpackung mit einem roten Punkt markiert gewesen ist. Das Unternehmen mit dem Slogan: "Ich bin doch nicht blöd" verwendet derartige Aufkleber auf der Verpackung bei Ausstellungsstücken, welche darauf hinweisen sollen, dass es sich um einen sogenannten Leerkarton handelt. Meine Mandantin hatte die Vorwürfe stets bestritten. 

Bereits in der ersten Instanz hatte ich mich auf ein Organisationsverschulden des Marktes berufen. Es war unstreitig, dass über einen gewissen Zeitraum statt der üblichen Aufkleber viel kleinere rote Punkte verwendet wurden. Es war auch vergessen worden, Leerkartons zu kennzeichnen. Darauf hatte meine Mandantin die Geschäftsführung selbst mehrfach schriftlich hingewiesen!

Trotzdem unterstellte das Landesarbeitsgericht ausgerechnet der Kassiererin Verletzungen der Schutz- und Sicherungspflicht im Sinne einer Fehlleistung und wies die Berufung zurück (13 Sa 393/13). Dasselbe Gericht hatte bereits die Kündigung einer Kassiererin bestätigt, die den Kunden nicht aufgefordert hatte, alle Waren aus dem Einkaufskorb aufs Band zu legen bzw. nicht nachfragt hatte, ob die Waren ihm gehörten (LAG Berlin-Brandenburg 18.01.2008  13 Sa 1916/07). 

Aus meiner Sicht macht das Landesarbeitsgericht Kassiererinnen mit derartigen Anforderungen zum Objekt des Marktes. Eine Verkäuferin, die täglich zirka 300 bis 500 Kunden im Markt in Sankt Annen Center an fünf Tagen die Woche bedient, ist kein "Bollwerk" kann nicht für Fehler einstehen müssen, deren Verursachung in dem Verhalten Dritter liegt. 

 

Tipp: 
Bei jeder Kündigung geht es um die Beurteilung des sogenannten Einzelfalls. Erst durch eine Beweisaufnahme werden Umstände sichtbar, die auch zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. 

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