Schlag mit Axt kann durch Notwehr gerechtfertigt sein

In der Gerichtssprache des Strafrechts bleibt die durch eine Axt verletzte Person bis zum Schluss der Hauptverhandlung der "Geschädigte". Soweit sich jedoch herausstellt, dass von dieser Person zuvor massive Drohungen ausgingen, können sich die Rollen ändern - wenn die ihm beigebrachten Verletzungen durch Notwehr gerechtfertigt sind. 

Es war am frühen Abend in einer Gartensparte im Umkreis der Stadt Brandenburg. "Wir hatten ein Schwein aufgewärmt, welches am Vortrag nicht alle geworden war", äußerte der Zeuge B. bei seiner polizeilichen Vernehmung. Der Atemalkoholtest gegen 21.00 Uhr ergab den stolzen Wert von 2,53 Promille. Als die Zigaretten alle waren, beschloss B., Zigaretten mit dem Fahrrad zu holen. Als er am Grundstück meines Mandanten vorbeikam, entwickelte sich ein Streit. "Ich stand an der Gartentür und habe diese so auf und zu geschlagen", "ich war dann auch schon im Garten und ging auf ihn zu." Zwei Zeuginnen versuchten vergeblich, ihn von seinem Vorhaben, "ihm eine zu klatschen" abzuhalten. 

Mein Mandant sah sich plötzlich einem Mann mit kräftiger Statur ausgesetzt, der aggressiv auftrat. Seit Jahren litt er an einer Herzkrankheit. Es folgte die Drohung gegenüber dem 70 Jahre alten Rentner : "Ich schlag dich tot". In Panik flüchtete mein Mandant zu seinem Schuppen zurück. Ohne Hinzuschauen griff er um die Ecke nach einem Stiel. In seiner Erregung bemerkte er nicht sofort, dass es sich um eine Axt handelte. In diesem Moment stand der junge Mann schon vor ihm. Es kam zum Schlag in Richtung des Kopfes -bei der Abwehr mit dem Oberarm verletzte sich der Zeuge durch einen 5 cm lange Schnittwunde. Mein Mandant erlitt einen Kreislaufzusammenbruch. 

In der Verhandlung vor dem Amtsgericht Brandenburg unter Vorsitz der Richterin Hofmann berief sich mein Mandant vergeblich auf sein Recht auf Notwehr. 

Er konnte zwar nachweisen, dass er an einer Herzerkrankung litt. Körperliche Anstrengungen konnten jederzeit zu einem weiteren Infarkt führen. Der Auszug aus dem Strafregister des Nachbarn wies 7 Eintragungen auf. 

Auf meine Frage, ob er auch wegen Körperverletzung verurteilt wurde, berief sich der 

Zeuge B. in der Beweisaufnahme auf "Erinnerungslücken". Gleichwohl wurde mein Mandant durch die Vorsitzende Richterin Hofmann am 03.05.2011 wegen gefährlicher Körperverletzung am 22.05.2009 schuldig gesprochen. 

Die Richterin verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hinzu kam eine Verurteilung von 1.500,00 € Schmerzensgeld (12/10). Die Kosten des Verfahrens sollte mein Mandant, der eine Altersrente in Höhe von 800 € bezieht tragen. Nach Einlegung der Berufung verkündete der Vorsitzende Richter der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam Gerlach am Freitag vergangener Woche den Freispruch meines Mandanten. Der Schmerzensgeldantrag wurde zurückgewiesen (27 Ns 116/11). 

Die Richter in Potsdam sahen die Voraussetzungen des Rechts auf Notwehr gemäß § 32 StGB für gegeben. Mindestens hielten sie das Verhalten aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken gem. § 33 StGB für entschuldigt. Vom Alter, der Konstitution von 1,70 m Körpergröße und der schwer angeschlagenen Gesundheit war der Rentner dem Angreifer in jeder Hinsicht unterlegen. Der von mir beauftragte Sachverständige Dr. Semmler konnte nicht ausschließen, dass bei dem unter einem Herzleiden erkrankten Rentner durch den Angriff ein durch einen Affekt verursachter Störungsgrad vorlag. 

Tipp: 
Der Angegriffene braucht sich nicht auf weniger sichere Mittel verweisen lassen. Vielmehr darf er die Verteidigung wählen, die mit Sicherheit den Angriff sofort und dauerhaft beendet (BGHSt. 24, 356, 358). Dem Schwächeren etwa wird man nicht zumuten können, sich dem Angriff eines körperlich Überlegenen statt mit einem Messer mit den Fäusten zu erwehren. Niemand ist verpflichtet, sich der Gefahr dadurch zu entziehen, dass er flieht oder dem Angriff ausweicht. Das gilt auch dann, wenn er mit diesem Verhalten die Gefahr ebenso sicher abwenden kann. 

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