"Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen"

Diese Bemerkung ließ ein Vorsitzender Richter der 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (15 Sa 1322/07) fallen, nachdem er dem Kläger klar gemacht hatte, er solle vernünftig sein, "sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln". Es folgte die Drohung: "Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen!" 

Die Eskalation der öffentlichen Sitzung des Landesarbeitsgerichts am 16.08.2006 wirft ein Schlaglicht auf eine bestimmte Art der Verhandlungsführung. Sobald eine Partei nicht bereit ist, den Vergleichsvorschlag des Vorsitzenden Richters im Sinne einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zuzu-stimmen, folgen richterliche Einschüchterungen. Mit einer ordentlichen Prozessleitung nach der Zivilprozessordnung durch Gewährung rechtlichen Gehörs hat das wenig zu tun. 

Der Ablehnung, sich vergleichen zu wollen, folgten eine Vielzahl von Drohungen, die hier nur beispielhaft dargestellt werden können: "Passen Sie auf was Sie sagen, es wird sonst alles gegen Sie verwendet". Hinweisen auf die fehlende Rechtmäßigkeit der Kündigung begegnete der Richter mit dem Vorwurf: "Hören Sie auf mit Mobbing, davon will ich nichts hören, da kommt nichts bei raus". Es folgten persönliche Beleidigungen: "Diplomerwaltungswissenschaftler, das sind doch die, die einen Überblick über alles haben und nichts können" und Drohnungen: "Wollen Sie den Querulanten abgeben ?" - "Seien Sie Manns genug und antworten mit Ja oder Nein!" - "Ich reiße ihnen sonst den Kopf ab!". 

Es blieb dem Kläger vor diesem Hintergrund leider keine andere Wahl, als den gegen seinen Willen protokollierten Vergleich nach erfolgtem Anwaltswechsel gemäß § 123 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wegen widerrechtlicher Drohung anzufechten. 

In seiner dienstlichen Äußerung zu dem Befangenheitsantrag räumte der Richter ein, er habe den Arbeitnehmer nach dessen Ablehnung eines weiteren Vergleichsvorschlags lediglich auf ein für ihn " tödliches" Risiko eines eventuell ungünstigen Prozessverlaufs hinweisen wollen. "Dabei habe ich mich in meiner mitunter flapsigen Art zu der Bemerkung hinreißen lassen, gleich werden sie erschossen oder sinngemäß." 

Bei derartigen Äußerungen handelt es sich aus meiner Sicht nicht nur um flapsige Bemerkungen sondern um Drohungen im Sinne von § 123 Abs. 1 des 

Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Aus der Wortwahl und dem Sachzusammenhang ergibt sich die Androhung der Zufügung eines zukünftigen empfindlichen Übels. Durch die angekündigte Bereitschaft, sich über jedes Recht hinwegsetzen zu wollen, lag die Verwirklichung des Übels auch in der Macht des drohenden Richters. Es kann erwartet werden, dass ein Richter eines Landesarbeitsgerichts derartige Einschüchterungen in einer mündlichen Verhandlung unterlässt. Solche Drohungen sind geeignet, Befürchtungen auszulösen, es werde "kurzer Prozess" gemacht, sofern sich nicht verglichen wird. Das gilt um so mehr, wenn eine Partei aufgrund der Drohungen physisch und psychisch nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung und Rechtsfolgen eines Vergleichs zu erkennen. 

Tipp: 
Aus fachanwaltlicher Sicht erfolgt die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien mitunter rechtsmissbräuchlich. Mit dem Ziel des Richters vor Augen, sich durch einen Vergleich die Zeit für eine Urteilsbegründung zu ersparen, wird die Überschreitung der Grenzen eines fairen Verfahrens in Kauf genommen. Statt objektiv auf Risiken des Ausgangs des Rechtsstreits hinzuweisen, werden die Parteien regelrecht "weichgeklopft". Gelingt es, derartigen Versuchen zu widerstehen, nimmt der Rechtsstreit häufig eine ganz andere Wendung. Mündliche Verhandlungen vor allen Gerichten sind immer öffentlich. 

Jeder hat daher das Recht, sich rechtzeitig vor der eigenen mündlichen Verhandlung mal als Zuschauer ein eigenes Bild über die Verhandlungsführung einzelner Richter zu machen. 

Über den Befangenheitsantrag meines Mandanten hat das Landesarbeitsgericht am 19.05.2008 durch eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts (15 Sa 1265/07) entschieden und die Klage abgewiesen. Die Revision wurde zugelassen, (Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu Gunsten unseres Mandanten ist unter der Rubrik höchstrichterliche Entscheidungen auf unserer Homepage im Volltext veröffentlicht). 

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