Lohnwucher bei der Ausbildung zum Rettungsassistenten

Die Ausbeutung junger Menschen, die eine Ausbildung zum Rettungsassistenten durchlaufen, geht weiter. Mir liegen "Vereinbarungen" der ASB Rettungsdiensthavelland gGmbH seit dem Jahre 2002 vor, die unter anderem regeln: "Der/die Praktikant/in erhält kein Entgelt und somit unterliegt er/sie hinsichtlich seines/ihrer praktischen Einsatzes auch nicht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht". 

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts bewertet derartige Verträge als nichtig. Durch Urteil vom 27.06.2012 wurde meinem Mandanten eine angemessene Vergütung zugesprochen. Die Höhe richtet sich nach dem damals aktuellen Tarifvertrag für Praktikanten, der ab dem 01.05.2004 eine Vergütung in Höhe von monatlich 1.046,41 € brutto vorsah. Eine Ausbildungsvergütung ist keinesfalls mehr angemessen, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltende Vergütung um mehr als 20 % unterschreitet. Die zweite Kammer des Arbeitsgerichts Brandenburg bejahte in diesem Fall wegen der verwerflichen Gesinnung den Tatbestand des Wuchers (2 Ca 378/11). 

Nach gesetzlichen Vorgaben sind in dem Praktikumsjahr mindestens 1600 Stunden an praktischer Tätigkeit zu leisten. In der Praxis ordnete die Geschäftsführung nach kurzer Zeit für die Praktikanten Einsätze in Wechselschichten - das heißt Tages- und Nachtdiensten - in der Funktion eines Rettungs-assistenten an. Der Einsatz als Beifahrer auf den Rettungswagen erfolgt dann in der vollwertigen Funktion eines Rettungsassistenten über 48 Stunden wöchentlich. Nach mir vorliegenden Dienstplänen geschieht dies überwiegend ohne Aufsicht eines Ausbilders. 

Die Vorsitzende Richterin Wieland der 9. Kammer des Landes-arbeitsgerichts Berlin-Brandenburg machte in der Verhandlung vom 02. März 2012 deutlich, dass Praktikanten ein Recht auf eine angemessene Vergütung haben. 

Bei den sogenannten Jahrespraktikanten handelt es sich um ein Vertragsverhältnis zur Erlangung einer Berufsausbildung, dass weder ein Arbeitsverhältnis noch ein Berufsausbildungsverhältnis darstellt (9 Sa 2359/11). 

Nach den Entscheidungsgründen der 9. Kammer kommt es auch nicht darauf an, ob der Praktikant nur an einer beschränkten Zahl von Rettungseinsätzen tätig war – denn grundsätzlich werden auch Bereitschaftszeiten in betrieblichen Interesse erbracht. 

Tipp: 
Aus meiner Sicht liegt in dieser Praxis eine strafbare Ausbeutung junger Praktikanten, die auf dieses Praktikumsjahr angewiesen sind. Wichtig ist die gesetzliche Verjährungsfrist zu beachten, wonach Ansprüche spätestens nach drei Jahren verfallen. 

Die Geschäftsführer der Rettungsdienst Havelland GmbH Grigoleit und Dr. Heinrich schlagen in dieselbe Kerbe. Letztgenannte vertreten den Betriebsnachfolger des ASB. 

Trickreich wurde versucht, einem Praktikanten im laufenden Verfahren um die Praktikumsvergütung eine sogenannte Ausgleichsquittung zur Unterschrift unterzuschieben. Darin sollte mein Mandant neben dem Erhalt der Arbeitsunterlagen bestätigen, dass ihm aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung keine Ansprüche mehr zustehen. 

Die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Potsdam (468 Js 26536/11) unter anderem über die Frage, ob die abgerechneten Kosten von zirka 450,00 € je Einsatz des Rettungswagens mit den tatsächlich erbrachten Tätigkeiten durch Praktikanten übereinstimmen, sind noch nicht abgeschlossen. Es mag gesichtswahrend sein, gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts den Weg der Revision zum Bundesarbeitsgericht nach Erfurt zu beschreiten. 

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