Tipps bei Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung

Es kommt in der Praxis häufiger vor, dass für einen Betrieb auf Grund anonymer Hinweise - zum Beispiel des Diebstahls aus ei nem Warenlager - plötzlich der Verdacht entsteht, ein/e Arbeitnehmer/in (zukünftig Arbeitnehmer) habe sich einer schweren Verfehlung schuldig gemacht.

Aus meiner Sicht wird gerade bei langjährig beschäftigten Arbeitnehmern in so einer Situation häufig unterschätzt, dass bereits ein solcher Verdacht ausreichen kann, ein Arbeitsverhältnis auch ohne erwiesene Schuld aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB durch eine sogenannte Verdachtskündigung wirksam mit sofortiger Wirkung zu beenden. Allerdings ist es für den Betrieb ohne persönliche Rücksprache mit dem Betroffenen oft gar nicht möglich, herauszufinden, ob die bekannten Indiztatsachen bereits einen dringenden Verdacht begründen. Deshalb ist vor jeder Verdachtskündigung die Anhörung des Betroffenen Voraussetzung. Die Einleitung des Anhörungsverfahrens - wie auch die Anhörung selbst - ist grundsätzlich nicht an eine bestimmte Form gebunden, eine solche kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Allerdings sollte sich bereits aus der Einladung ein Hinweis auf den Grund des Personalgesprächs ergeben.

Es reicht auch nicht aus, wenn der Betrieb den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Im Ergebnis muss der Betroffene erkennen können, zur Aufklärung welchen Sachverhalts ihm Gelegenheit gegeben werden soll, damit er die Möglichkeit hat, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen.

Wegen der Notwendigkeit des Ausspruchs einer fristlosen Kündigung innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Sachverhalts muss der betroffene Arbeitnehmer sogar während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit damit rechnen, im Betrieb erscheinen zu müssen, wenn nicht bis nach dessen Genesung gewartet werden kann. Aus meiner Sicht lastet auf jedem Betroffenen in einer solchen Situation daher ein hoher Druck. Es darf sich einerseits anders als im Strafrecht nicht auf den Grundsatz „Schweigen ist gold„ zurückgezogen werden. Andererseits muss sich jeder Betroffene absolut im Klaren sein, dass in einem späteren Kündigungs schutzverfahren jedes Wort gegen ihn verwendet werden wird.

 

Tipp:
Soweit es zeitlich noch geht, sollte fachanwaltliche Hilfe bereits in Anspruch genommen werden, wenn sich eine solche Situation anbahnt. Erfolgt die Aufforderung zu einem Personalgespräch mündlich ohne Mitteilung des Grundes, sollte auf die Einräumung der Möglichkeit einer schriftlichen Stellung nahme zu den Vorwürfen gebeten werden. Nach der Rechtsprechung wird auch ein Anspruch auf Hinzuziehung eines Rechtsbeistands in der Anhörung gebilligt. Von der Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds rate ich ab, da häufig über den Verlauf des Gesprächs Protokolle gefertigt werden, weshalb jede weitere Person dann schnell zum Zeugen gegen den Betroffenen werden kann.

Bei Erhalt einer schriftlichen Anhörung sollte gegenüber dem Betrieb zunächst Fristverlängerung und zugleich die Einräumung der Möglichkeit eine schriftlichen Stellungnahme zu den Vorwürfen verlangt werden. Keinesfalls sollten Erklärungen ohne inhaltliche Überprüfung durch einen spezialisierten Rechtsbeistand erfolgen. Aus meiner Sicht sind die rechtlichen Anforderungen an die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung hoch. Der zur Kündigung berechtigende Verdacht muss geradezu „erdrückend,, sein - gleichzeitig entstehen aus der Notwendigkeit einer zeitnahen Anhörung erhebliche Rechtsunsicherheiten für den Betrieb.

 

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