Sieben Jahre Gefängnis durch falsche Verdächtigung eines Zeugen?
Über den Polizeinotruf meldete sich gegen 13:18 Uhr am 31.10.2010 eine Person, die angab, eine SMS mit dem Inhalt erhalten zu haben: "Ich brauche Hilfe, werde in Brandenburg festgehalten." Nach Auffinden des Herrn E. in einer Wohnung in Wusterwitz erklärte dieser der Polizei: "Ich möchte zuerst sagen, dass ich froh bin, dass ich da aus der Wohnung rausgeholt worden bin. Seit zirka zwei Wochen werde ich durch zwei Personen gegen meinen Willen festgehalten". Es sollen Drohungen gefallen sein wie: "Schlagen wir dich kaputt", "kriegst Betonfüße", "wir finden dich überall".
Durch die Staatsanwaltschaft Potsdam folgte die Erhebung einer Anklage unter anderem wegen Entführung eines Menschen und gefährlicher Körperverletzung. Bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von mehr als sieben Jahren drohte ein Haftbefehl, da die Justiz in solchen Fällen automatisch Fluchtgefahr annimmt.
Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam am 26.04.2013 kam es zum Eklat. Auf Nachfrage der Verteidigung mußte der Staatsanwalt einräumen, dass ein weiteres Protokoll über das Auffinden des Herrn E. in der Wohnung existiert. Angeblich sei dieses wichtige Protokoll durch ein "technisches Versehen" bisher nicht zur Ermittlungsakte gelangt. Darin äußerte Herr E. "dass er sich freiwillig in der Wohnung aufhält und eine Über-nachtungsmöglichkeit gesucht habe."
Auf Befragen der Richter blieb er bei seiner Version, er habe aus Angst die Wohnung über Wochen nicht verlassen dürfen. Auf meine Frage, ob die Tür der Wohnung denn auch nachts verschlossen war, räumte dieser ein, dass er die Wohnung hätte verlassen können. Aus Scham darüber, weil er Drogen nehme und keinen Antrieb für die Aufnahme einer Arbeit finde, hätte er sich nicht getraut, seiner Familie unter die Augen zu treten.
Vor diesem Hintergrund hielt die 2. Große Strafkammer bestehend aus zwei Berufsrichtern einem Ergänzungsrichter und zwei Schöffen die Glaubwürdigkeit des Herrn E. für erschüttert. Am selben Tage sprach die 2. große Strafkammer des Land-gerichts Potsdam durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Tiemann, (22 Kls 12/12) meinen Mandanten von allen Vorwürfen frei.
Tipp:
Der Vorwurf eines Verbrechens stellt die gesetzliche Unschuldsvermutung auf eine harte Probe. Die Wahrnehmung des Rechts auf Aussageverweigerung gegenüber der Polizei und vor Gericht ist in derartigen Konstellationen die einzige Alternative. Der Staatsanwalt teilte mir am Ende der Verhandlung mit, dass er in seinem Plädoyer beantragt hätte, eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren gegen meinen Mandanten zu verhängen. Es sollte zeitnah eine Fachanwalt für Strafrecht aufgesucht werden, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen.