Unwirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen der precis Maschinen und Anlagen Service GmbH

Bei Erhalt einer Kündigung läßt sich der Ausgang eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens für Betroffene regelmäßig nur schwer vorauszusagen. Wie es ein Unternehmen geschafft hat, bereits an den formellen Voraussetzungen bei Massenentlassungen und Anzeigepflichten zu scheitern, zeigen einige Kündigungsschutzverfahren, mit denen auch das Arbeitsgericht Brandenburg befaßt war. Die precis Maschinen und Anlagen Service GmbH führte am Standort in Brandenburg Dienstleistungen wie zum Beispiel die Lagerwirtschaft für ZF Getriebe Brandenburg GmbH durch. Es wurden 2019 regelmäßig lii Arbeitnehmer/innen beschäftigt. Nachdem der Betrieb ZF im Rahmen einer Ausschreibung verloren hatte, kam es zum Ausspruch von 32 Kündigungen. In den Güteverhandlungen beriet sich der Betrieb zunächst auf das Vorliegen eines sogenannten Interessenausgleichs mit Namensliste. Hierbei gilt die gesetzliche Vermutung, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Gründe sozial gerechtfertigt ist und die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Auf meine Rüge stellte die erste Kammer des Arbeitsgerichts Brandenburg die Unwirksamkeit der Kündigung durch Urteil vom 07.05.2020 fest. In der vom Betrieb vorgelegten “Stellungnahme‘ fehlte nämlich die Unterschrift der Geschäftsführung; es hatte auch lediglich der Stellvertreter des Betriebsrats unterschrieben, damit lag kein wirksamer Interessenausgleich vor (1 Ca 1004/1 9).

Im Dezember stellte der Betrieb einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weshalb das Amtsgericht Chemnitz die vorläufige lnsolvenzverwaltung angeordnet hat und der Betrieb durch eine lnsolvenzverwalterin fortgeführt wurde. Wegen fehlender Wirksamkeit der ersten Kündigung erfolgte dann im Februar diesen Jahres gegenüber der Bundesagentur für Arbeit die Anzeige einer bevorstehenden Massenentlassung von 13 Arbeitnehmern und der Ausspruch weiterer Kündigungen. Das Arbeitsgericht Brandenburg wies meine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der zweiten Kündigung ab.

Auf meine Berufung sah der vorsitzende Richter Wenning-Morgenthaler in der öffentlichen Sitzung am 19.11.2020 in Berlin erhebliche Risiken für die Insolvenzvewalterin, das Konsultationsverfahren ordentlich durchgeführt zu haben. Bei einem größeren Personalabbau durch eine Massenentlassung sind die Aufnahme von Interessenausgleichs- und Sozialpianverhandlungen nebst Einleitung eines sogenannten Konsultationsverfahrens gemäß § 17 Abs. 2 KSchG Pflicht, wenn ein Betriebsrat besteht. Zwar hatte die lnsolvenzverwalterin nach Anhörung des Betriebsrats bei der Bundesagentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige erstattet und vorsorglich eine weitere Kündigung ausgesprochen. Auf mein Bestreiten konnte aber nicht der Beweis erbracht werden, dass dem Schreiben als Anlagen unter anderem eine Kopie des Eröffnungsbeschlusses nebst des Interessen ausgleichs und Namensliste tatsächlich beigefügt waren. Es wurde von der lnsolvenzverwalterin lediglich ein mit einem ‚OK“-Vermerk versehener Fax-Sendebericht vorgelegt; das erbringt aber nicht den Beweis der vollständigen Übermittlung der Massenentlassungsanzeige (BGH, Beschluss vom 12.06.2012, Az. VI ZB 54/11).

Es kam dann vor der 10. Kammer Landesarbeitgsgerichts Berlin-Brandenburg zur Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von einem Viertel Monatsgehalt je Beschäftigungsjahr zu beenden. Zwischenzeitlich haben sich auch die weiteren sieben Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht erledigt; im Ergebnis wird an meine Mandanten aus der lnsolvenzmasse noch dieses Jahr ein Gesamtvolumen an Abfindungen von zirka 35.000 € ausgezahlt werden - eine bittere Erkenntnis für die Betroffenen, die keine gerichtliche Überprüfung der insgesamt gänzlich unwirksamen Kündigungen angestrebt haben.

 

 

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