Vom Selbstverständnis der Strafverteidigung
Aus einem wichtigen Handbuch für Strafverteidiger von Hans Dahs stammt der Satz: „Verteidigung ist Kampf". Damit ist der geistige Kampf um die Rechte des Beschuldigten im Widerstreit mit den Organen des Staates, die dem Auftrag zur Verfolgung von Straftaten zu genügen haben, gemeint.
Wichtig ist es zu wissen, dass Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft zu mehr als 60 % Beschuldigte treffen, die schließlich nicht angeklagt werden. Kommt es zur Anklageerhebung, werden wiederum etwa 20 % der Angeklagten nicht verurteilt. Dazu kommt die vielfach größere Zahl von Strafanträgen der Staatsanwaltschaft; die in ihrer Höhe von den Gerichten als ungerechtfertigt abgelehnt werden. Daran wird die Aufgabe eines Strafverteidigers deutlich.
Schon bei Mandatsübemahme stellt sich die Kernfrage, ob gegen einen Unschuldigen oder gegen einen Schuldigen ermittelt wird. In dem einen Fall erscheint der Verteidiger als „Beschützer verfolgter Unschuld", im anderen Falle als ein „Gehilfe des Bösen". Der Rechtsanwalt ist meistens der einzige Beistand des beschuldigten Mandanten. In dieser Funktion hat er die Aufgabe,, eine sachgerechte Verteidigung des Mandanten zu gewährleisten, indem er zum Einen alle den Beschuldigten entlastenden Umstände zur Geltung bringt und zum anderen im Rah-men seiner Aufgabe, den Mandanten zu schützen, über die Gesetzlichkeit des Verfahrens wacht.
Durch seine Aufgabe, einseitig zum Schutze seines Mandanten tätig zu sein, ist er genauso aber auch „Diener am Recht", wie es für ihren Teil auch Richter und Staats-anwalt sind. Sie alle steuern dem Ziel der Gerechtigkeit zu, aber von verschiedenen Ausgangspunkten her: der Staatsanwalt vom Strafanspruch des Staates, der Richter von der Totalität des Rechts, der Verteidiger vom Schutzanspruch des Beschuldigten aus. Dabei hat sich der Richter zu bemühen,: die Wahrheit objektiv nach allen Richtungen in vollem Umfange zu ergründen. In diesem Spannungsverhältnis liegt die Funktion des Verteidigers, er kämpft dabei jedoch für und nicht gegen die Rechtsordnung.
Es kommt vor, dass einem Richter diese Funktion eines Verteidigers lästig ist.- Über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Verteidigers entschied das Amtsgericht Brandenburg (22 Ds 420 Js 6531/05 (113/05)) durch Richter Dr. S. nach Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen über mehrere
Verhandlungstage mit folgender Begründung: „Die Sachlage ist nicht schwierig. Der Nebenkläger konnte sich durchaus selbst verteidigen. Die Vertagung - mit der Folge weiterer Verhandlungstage - beruhte vorrangig auf Terminschwierigkeiten des Angeklagten bzw. des anderen Prozessbeteiligten. Im Übrigen gestaltet sich die Hauptverhandlung lediglich durch die Art und Weise des Nebenklagevertreter zäh und daher wohl aus seine Sicht schwierig."
Aus meiner Sicht ist es nich die Aufgabe des Verteidigers, einen möglichst reibungslosen Prozessablauf gewährleisten. Schon gar nicht trifft ihn die Pflicht, den eigenen Mandanten zu disziplinieren oder zu bevormunden, damit das Gericht den Rechtsstreit ohne Urteil zeitsparend erledigen kann.