Was darf die Strafverteidigung?

Die Krawattenpflicht des Verteidigers in der Hauptverhandlung kann zu dessen Aus-schluss vom Verfahren wegen vorschriftswidriger Amtstracht führen, wie ein Beispiel des Alltags im Kampf ums Recht durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 15.07.2006 (2 Ws 679/ 684/06) zeigt. 

Ein Rechtsanwalt war lediglich in weißem T-Shirt statt Hemd und Krawatte unter der offenen Robe vor einer Strafkammer in Bayern aufgetreten. Als der Verteidiger des Angeklagten auch auf Abmahnung durch den Vorsitzenden nicht bereit war, mit Hemd und Krawatte aufzutreten, wies ihn der Vorsitzende Richter für diesen Termin als Verteidiger zurück. Gleichzeitig bestellte er dem Angeklagten neben dem soeben zurückgewiesenen Wahlverteidiger auch noch einen Pflichtverteidiger. Auch an den folgenden zwei Sitzungstagen erschien der 

Verteidiger wieder in der beanstandeten Kleidung und wurde, da er weiterhin zu ei-ner Änderung nicht bereit war, jeweils als Verteidiger zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts kam das Oberlandesgericht München zu dem Schluss, "mit der Stellung eines Verteidigers vor bayerischen Strafgerichten sei es nicht vereinbar, wenn ein Rechtsanwalt lediglich im weißen T-Shirt statt Hemd und Krawatte unter der offenen Robe vor einer Strafkammer auftritt." Die Verstöße seien auch schwerwiegend und rechtfertigten die Verhängung von sitzungspolizeilichen Maßnahmen. 

Aus meiner Sicht wird hier nur auf den ersten Blick um die Einhaltung der Form im Strafprozess gestritten. Entscheidend ist, dass dem Angeklagten durch das Gericht der Wahlverteidiger entzogen wurde. Auch wenn es gute Gründe für Regeln des Tragens von Amtstracht gibt, stellt die Einschränkung der Verteidigungsmöglichkei-ten durch die Beiordnung eines dem Gericht genehmen Pflichtverteidigers einen schweren Grundrechtseingriff dar, der nicht akzeptiert werden darf. 

Es soll auch Richter und Staatsanwälte geben, die nur eine einzige Krawatte aus Polyester besitzen, welche sie nicht binden können - für die Richter des Oberlandes-gerichts machte das den Unterschied zur Amtstracht. Über die Beantwortung von Rechtsfragen hinaus sollte nicht vergessen werden, dass es für die Verteidigung auch noch einen Menschen gibt - den ihr anvertrauten Mandanten. Hierbei handelt es sich um ein geschütztes Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandant, welches Verfassungsrecht ist. 

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